4. Von der Wiedervereinigung 1990 bis jetzt

Mit der politische Wende und der Wiedervereinigung 1989/1990 kam auch in den Städtebau in Ostdeutschland ein neuer frischer Wind.

Meine persönliche Meinung ist, dass die neugewonnene Freiheit in Chemnitz nur unzureichend genutzt wurde, und die City bis heute unter den im Sozialismus geprägten Formen leidet. Dies ist vor allem begründet durch zahlreiche Faktoren wie: kein klares erkennbares und durchgreifendes städtebauliches Ziel, Geldmangel, Machtlosigkeit bei vielerlei offenen Grundstücks- und Besitzfragen, Unfähigkeit oder Uneinigkeit der Entscheidungsträger. Es gab jedoch in den letzten 15 Jahren immerhin eine Anzahl verschiedener und mühsamer Teilerfolge, über die ich im nachfolgenden kurz berichten möchte.

Erste Amtshandlung noch vor der Wiedervereinigung war die Rückbenennung von Karl-Marx-Stadt in Chemnitz im Sommer 1990 mit einer Zustimmung von 75% der stimmberechtigten Einwohner. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung setzte der Bau riesiger Konsumtempel am Stadtrand ein, um den großen Nachholebedarf der "Ossis" zu befriedigen und natürlich gute Geschäfte zu machen. Wichtigstes Beispiel dafür ist dass Chemnitz-Center in Röhrsdorf oder der Neefepark Richtung Schönau Anfang der Neunziger, beide direkt an der Autobahn gelegen. Dies sollte sich später als verheerender Fehler für die Kaufkraftentwicklung und Cityentwicklung herausstellen.

So richtig in Gang kam die neue Citybebauung Anfang bis Mitte der Neunziger Jahre, in der ein großes freistehendes Areal gegenüber des Rathauses (zu DDR-Zeiten Stadthallen-Parkplatz) als neues Filetstück der City bebaut werden sollte.

Es wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben und 6 Entwürfe kamen daraus in die Entscheidung. Darunter war ein sehr blockmäßiger Entwurf der Sachsenbau GmbH und ein recht stimmiger Bau mit schrägen Dächern und Türmchen des ECE Managements, die favorisiert wurden. Leider kam es in der nachfolgenden Zeit durch Unstimmigkeiten und Pleiten nie zur Umsetzung eines der Projekte. Das Areal wurde erst im Zweiten Anlauf Ende der Neunziger mit einem großen Einkaufscenter "Galerie Roter Turm" bebaut, welches in letzter Minute wenigstens noch eine schöne Hülle bekam. Der Architekt Kollhof entwarf eine mediterran wirkende Fassade mit Klinkerplatten.

Das zweite wichtige Bauvorhaben war die Errichtung des "Super"- modernen gläsernen Kaufhofes 2001, auch direkt am Markt gelegen. Dieses sehr modern wirkende Gebäude vollständig aus Glas wurde von dem Star-Architekten Helmut Jahn entworfen und befindet sich auf dem gebiet der ehemaligen Zentralhaltestelle, früher Kronenstraße.

Das letzte Herausragende Gebäude in diesem Zusammenhang ist der Bau des neuen Kaufhauses "Peek & Cloppenburg" 2002 ebenfalls aus Glas welches als drittes Gebäude den Neumarkt mit Rathaus einschließt. Die gegenwärtigen Aktivitäten in der Citybebauung ist der fast abgeschlossene Bau der kleinteiligen Rathaus Passage "Mittelstandsmeile" und die völlige Neugestaltung des ehemaligen Kaufhaus "Tietz" als Kulturkaufhaus. Besonders die sog. Mittelstandsmeile kann als erster wichtiger Erfolg gewertet werden, zumindest in bescheidem Maße eine kleinteilige City wiederherzustellen. Das Kulturkaufhaus soll einen Mix aus verschiedenen kulturellen Einrichtungen beherbergen: Stadtbibliothek, Museum, neue sächsische Galerie und die Volkshochschule und wird im Herbst 2004 eröffnet.

Fast alle DDR-Bauten in der City sind bis heute erhalten geblieben und wurden saniert. Das heißt sie haben auch nach außen hin eine etwas schönere Hülle bekommen. Jedoch leidet die Stadt nach wie vor unter den riesigen Dimensionen auf der Straße der Nationen und Brückenstraße, die sich in ihrer Gestalt seit der Wende so gut wie nicht verändert hat. Weiterhin negativ für Fußgänger und somit Laufkundschaft wirkt sich aus, dass sämtliche Einfallstraßen bis in die City führen und sich auf den breiten Magistralen zu riesigen, mehrspurigen Verkehrsadern bündeln. (Bahnhofstraße, Brückenstraße, Falkeplatz) Dieses hat in der Stadtverwaltung durch den Bau eines inneren Stadringes, der allerdings nur in Teilen besteht, zu mildern versucht. Für zahlreiche Negativschlagzeilen und Spott sorgt das riesige sogenannte "Conti-Loch". Eine riesige Baugrube in der Chemnitzer Innenstadt, die einst errichtet wurde um ein Kinocenter mit Tiefgarage zu errichten, dessen Bauprojekt jedoch später kläglich scheiterte.

In den letzten Jahren hat ein weiterer schleichender und trauriger Prozeß sichtbare Züge angenommen: Durch Faktoren wie Überalterung, Wegzug und mangelnde Attraktivität ist seit der Wende die Einwohnerzahl von Chemnitz beständig zurückgegangen. Mittlerweile ist die Zahl bereits unter 250.000 gesunken. Dies hat zur Folge das sehr viel Bausubstanz weiter verfällt oder besonders seit letztem Jahr durch Subventionen sogar abgerissen werden. Leider betrifft es auch mehr und mehr historische Gebäude.

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